PHILOSOPHIE
Wenn alles so gleichermaßen bedeutsam sein kann – was hat dann noch wirklich Bedeutung? Wert und Bedeutung der Dinge erfahren im Rausch der Vernetzung eine Inflation, weil sie an keinen gemeinsamen Sinngrund mehr angeschlossen sind. Die Enthierarchisierung unser Bilder und Bedeutungen zeigt sich nicht nur als Befreiung, sondern als hitzige Langeweile und bleiernes Versacken in der Beliebigkeit. Das Subjekt selbst, bisher unterschieden in Ich, Es und Überich, bewusst und unbewusst, kennt sich nicht mehr aus. Auch mit sich selbst nicht. Die Frage: Wer bin ich hier noch? Was kann ich hier noch sein? sucht eine neue Antwort.
Falk Richwiens Ansatzpunkt hier ist zu sagen: Es ist das Individuum, das herausgefordert ist, seinen Weg durch den Nebel der Bedeutungslosigkeit zu finden. Kommunikativ entgrenzt, entwertet und multimedialisiert wie es ist, braucht es, mehr denn je seine Sinne. Seine Sinne noch vor dem Verstand. Sein Kompass ist die Wahrhaftigkeit, das, was es selbst unmittelbar als wirklich erfährt – Und es braucht auch eine Haltung zur Täuschung. Kunst ist prädestiniert, hier gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Denn den festen Boden der für alle verbindlichen Regeln verloren, sind es Entscheidungswege, die insbesondere im Kunstschaffen eine Rolle spielen, welche nun in moralische und politische Entscheidungen hinein ragen und uns Orientierung verschaffen können, wo sie „an sich“ nicht mehr möglich scheint. Die Postmoderne ist nicht einfach auch „ein Ende der Gemeinschaft“, sondern eine Zeit, in der wir anfangen, unsere inneren und sozialen Räume zu gestalten.
Entsprechend sind die meisten von Falk Richwiens Arbeiten auf Interaktion angelegt. Die Kunst wird zum Spiel; Der Zuschauer wird Beteiligter; geübt werden Distanznahme, Verinnerlichung, Orientierung, die Verbindung zwischen inneren und äußeren Räumen; verwirklicht wird ein Transfer zwischen Tradition und Moderne. Statt (Würden)Träger von verbindlichen Ordnungen werden wir zum Wanderer in verschiedenen Welten, in denen sich die inneren mit den äußeren Landschaften überschneiden.
Johanna Frohberg 2014